
Business & Szene
Eine lange Tradition
Ludwig Bähr |Was 1820 als Kurz- und Wollwarenhandlung begann, hat
sich nach und nach zu einem Papierspezialisten mit einem umfangreichen
Hobby- und Bastelprogramm entwickelt. Die Buntpapierfabrik Ludwig Bähr
blickt 2020 auf 200 Jahre spannende Firmengeschichte zurück.
Die Chronik des Kasseler Familienunternehmens
liest sich spannend
wie ein Roman. Eines der ersten
Firmendokumente ist ein Kaufbrief
vom 23.9.1819. An diesem Tag erwarb
der Kaufmann und Kommerzienrat
Ludwig Bähr das Haus Nr. 17 in der
Marktgasse der Kasseler Altstadt. Ein
Jahr später erscheint Ludwig Bähr im
Kurhessischen Staats- und Handadreßbuch
unter der Gruppe der
„Negocianten" (Großhändler). Zweck
des Unternehmens war zunächst
der Großhandel mit Kurz- und Wollwaren.
Einige Jahre später wurden
dann auch Tuch- und Wollstoffe hergestellt
und gefärbt.
Knapp 50 Jahre nach Firmengründung
wurden die ersten Papierbogen
von Hand gefärbt. Buntpapiere
wurden damals in erster Linie
als Bezugsmaterial für Kästchen und
Kartons gefertigt. Nach dem Tod des
Firmengründers Ludwig Bähr im Jahr
1836 übernahm sein Sohn Carl mit
29 Jahren das Unternehmen. Carl
Bähr kaufte um 1870 an der "Chaussee
nach Sandershausen" (später
Sandershäuser Straße) ein Grundstück
von 5.564 qm und baute darauf
eine Buntpapierfabrik, die 1872 in
Betrieb genommen wurde. Im ersten
Jahr wurde ein Umsatz von 40.000
Das Bild von ca. 1922 - 1923 zeigt einen
Pferdeanhänger. So wurde damals
die Ware an den Bahnhof gebracht.
(Als es noch keine LKWs gab).
Links das heutige Produktionsgebäude
an der Sandershäuser Strasse.
Talern erzielt. Die Arbeitszeit betrug
59 Stunden pro Woche, samstags
arbeitete man bis 17.30 Uhr, der
Wochenlohn betrug 4- 6 Taler (1 Taler
ca. 3 Goldmark). Die gefertigten Papiere
wurden hauptsächlich nach
Frankreich und England exportiert.
Carl Bähr zog sich im Jahr 1872
mit 65 Jahren aus der Firma zurück
und übergab seinem Sohn Wilhelm,
damals 30-jährig, die Firma.
Die Firma Bähr war zu dieser
Zeit die zweitälteste Buntpapierfabrik
in Deutschland. Eine ältere
Buntpapierfabrik gab es nur noch in
Aschaffenburg.
Etwa 1884 trat Heinrich Barthel
als leitender Angestellter in die Firma
Bähr ein und wurde einige Jahre später
zum Prokuristen bestellt.
Wilhelm Bähr engagierte sich in
den folgenden Jahren verstärkt in der
Kirchenarbeit und wurde zum Landeskirchenpräsident
von Kurhessen
gewählt. Für sein Unternehmen blieb
ihm nur noch wenig Zeit. Deshalb
verkaufte er im Oktober 1901 lt. Handelsregister
die Firma an seinen
Prokuristen Heinrich Barthel, der im
41. Lebensjahr war. Heinrich Barthel
war von früh bis spät im Betrieb, wenn
er nicht auf Geschäftsreisen war.
1907 fand er Unterstützung
durch den Eintritt seines Sohnes
Christian Barthel (sen.), der die Buntpapierfabrikation
von der Pieke auf
erlernte. Nach dem 1. Weltkrieg übernahm
er schließlich den Betrieb.
Christian Barthel (sen.) ging nun an
die Verwirklichung seines Planes, eine
neue moderne Buntpapierfabrik auf
dem noch freien Teil des Grundstücks
zu bauen. Um 1925 hatte das Unternehmen
etwa 90 Mitarbeiter. Hauptexportländer
waren immer noch
England und Frankreich. Es wurde
auch über Hamburger Exporteure bis
nach China geliefert.
Gegen Ende der 20er Jahre
brachte die Buntpapierfabrik Ludwig
Bähr als erstes Unternehmen ein
ganz neues Produkt auf den Markt:
den farbigen Plakatkarton. Damals
eine absolute Innovation und der
Dauerbrenner für den boomenden
Reklamemarkt. Daneben werden
Glacé-, Glanz-, Chromo-, Gold- und
16 | 3-2020